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Hintergründe und Neues aus der Forschung leicht verständlich erklärt
Fledermäuse ahmen Hornissen-Summen nach
Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 24. Jun 2022, 07:00
Viel ist bereits über Nachahmung im Tierreich geforscht und veröffentlicht worden. Henry Walter Bates, englischer Naturforscher und Forschungsreisender, hat hierfür 1861/62 den Begriff der Mimikry eingeführt. Bei der nach ihm benannten Batesschen Mimikry imitiert ein ungefährliches Tier ein wehrhaftes oder ungenießbares Tier, um nicht erbeutet zu werden.

Großes Mausohr
(c) Hans Schwarting/NABU-naturgucker.de
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In den meisten bislang bekannten Fällen geschieht diese Täuschung durch visuelle Signale; beispielsweise tragen viele → Schwebfliegen (Syrphidae) ein ähnliches Muster wie Bienen oder Wespen. Sehr viel seltener ist akustische Mimikry. Erstmals entdeckten italienische Forschende diese Strategie nun bei einem Säugetier: Bei Gefahr summen → Große Mausohren (Myotis myotis) wie stechende Hautflügler, beispielsweise die → Europäische Hornisse (Vespa crabro).

Europäische Hornisse
(c) Bernhard Konzen/NABU-naturgucker.de
(c) Bernhard Konzen/NABU-naturgucker.de
Für ein Forschungsprojekt zu einer ganz anderen Frage wurden Große Mausohren eingefangen. Dabei fiel das Summen der Tiere auf, das die Forschenden zunächst für Stress- oder Alarmlaute hielten. Bei einer näheren Untersuchung und einem Vergleich der Laute mit vier Insektenarten, darunter der Europäischen Hornisse, stimmten Wellenlänge, Frequenz und Dauer überein.[1]
Im nächsten Schritt wurde die Reaktion von → Schleiereulen (Tyto alba) und → Waldkäuzen (Strix aluco) auf die Laute getestet. Sie sind die wichtigsten Fressfeinde der in Deutschland größten heimischen Fledermausart. Hörten sie das Summen von Wespen und Hornissen sowie das der Fledermäuse aus einem Lautsprecher, entfernten sie sich. Erklangen dagegen normale Lautäußerungen der Großen Mausohren, näherten sich die Eulen.

Schleiereule
(c) Christian Wiesmann/NABU-naturgucker.de
(c) Christian Wiesmann/NABU-naturgucker.de
Eulen auf der Suche nach einem Schlaf- oder Nistplatz können unangenehme Begegnungen mit den in Spalten und Höhlen nistenden Hornissen haben. Sie meiden die wehrhaften Insekten – und die Großen Mausohren, wenn diese das Summen nachahmen. Damit funktioniert die akustische Mimikry über drei Tierklassen hinweg: Ein Säugetier imitiert ein Insekt, um einen Vogel abzuschrecken. Weitere Forschung soll nun zeigen, ob akustische Mimikry stärker verbreitet ist, als wir es bislang wahrgenommen haben.
[1] Leonardo Ancillotto, Donatella Pafundi, Federico Cappa, Gloriana Chaverri, Marco Gamba, Rita Cervo, Danilo Russo. Bats mimic hymenopteran insect sounds to deter predators. Current Biology, Volume 32, Issue 9, 2022, Pages R408-R409. DOI: → 10.1016/j.cub.2022.03.052