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Hintergründe und Neues aus der Forschung leicht verständlich erklärt
Hausratte kam mit dem Fernhandel zweimal nach Europa
Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 3. Jun 2022, 07:35
Vereinfacht ließe sich sagen: Geht es uns in Europa gut, florieren Gesellschaft und Handel, dann geht es auch den Ratten gut. Forschende haben anhand von Erbgutanalysen festgestellt, dass die → Hausratte (Rattus rattus) Europa gleich zweimal besiedelt und sich hier ausgebreitet hat. Während der Römerzeit erreichte sie den Kontinent das erste Mal, im Mittelalter mit dem erneut aufkommenden Fernhandel das zweite Mal.

Hausratte
(c) Maike Sprengel-Krause/NABU-naturgucker.de
(c) Maike Sprengel-Krause/NABU-naturgucker.de
Festgestellt haben dies Forschende der University of York und der University of Oxford in Zusammenarbeit mit den Max-Planck-Instituten für Menschheitsgeschichte (Jena) und für evolutionäre Anthropologie (Leipzig).[1] Sie haben die Genome von Hausratten sequenziert, die bei Ausgrabungen in Europa und Nordafrika gefunden wurden und aus dem 1. bis 17. Jahrhundert stammen. Vermutlich sind die Tiere über Land nach Europa gekommen, denn sie trugen Erbgut sowohl von ihren südasiatischen Vorfahren als auch von Populationen aus dem Iran und dem persischen Golf. Alle untersuchten Knochen aus der Römerzeit bilden eine genetische Gruppe.

Wanderratte
(c) Christian Wiesmann/NABU-naturgucker.de
(c) Christian Wiesmann/NABU-naturgucker.de
Vom 6. bis zum 10. Jahrhundert brach der Bestand der Ratten in Europa ein. Die Menschen litten im 6. Jahrhundert unter der Justinianischen Pest und klimatischen Veränderungen; das römische Wirtschaftssystem war zusammengebrochen. Erst mit dem Wiederaufleben des Handels im Mittelalter kehrten die Hausratten zurück. Genetisch unterscheiden sich diese Ratten von den römischen, bilden aber ebenfalls auf dem ganzen Kontinent eine einheitliche Gruppe.

Wanderratte
(c) Kerstin Kleinke/NABU-naturgucker.de
(c) Kerstin Kleinke/NABU-naturgucker.de
Heute dominiert die → Wanderratte (Rattus norvegicus), die im 18. Jahrhundert nach Europa gekommen ist. Während die Hausratte mit einer Länge von 16 bis 24 Zentimetern eher einer Maus ähnelt, ist die Wanderratte rund 10 Zentimeter größer und etwa doppelt so schwer. Als ursprünglicher Baumbewohner bevorzugt die Hausratte höhere Stockwerke und Dachgeschosse. Wanderratten sind häufig im Untergrund, insbesondere der Kanalisation, zu finden. Beide Arten ernähren sich überwiegend pflanzlich und sind dämmungs- und nachtaktiv.[2]
[1] Yu, H., Jamieson, A., Hulme-Beaman, A. et al. Palaeogenomic analysis of black rat (Rattus rattus) reveals multiple European introductions associated with human economic history. Nat Commun 13, 2399 (2022). DOI: → 10.1038/s41467-022-30009-z