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Kleinzikaden nehmen Vibrationen mit speziellem Sinnesorgan wahr

Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 29. Apr 2022, 08:00
Aus der Welt der Insekten gehören die → Zikaden (Auchenorrhyncha) nicht gerade zu den populärsten Ordnungen. Am bekanntesten ist ihre Lebensweise: Erwachsene Zikaden stechen genauso wie ihre Larven Pflanzenteile an und saugen deren Säfte. Rund 630 der weltweit etwa 30.000 Arten kommen in Deutschland vor. Wie viel es an diesen Tieren noch zu entdecken gibt, haben Forschende des Zentrums für Integrative Biodiversitätsentdeckung des Museums für Naturkunde Berlin, des ZUSE-Instituts Berlin und der RWTH Aachen gezeigt.
Wiesenschaumzikade, (c) Istvan und Sabine Palfi/NABU-naturgucker.de
Wiesenschaumzikade
(c) Istvan und Sabine Palfi/NABU-naturgucker.de
Kleinzikaden kommunizieren lautlos miteinander über Vibrationen, die sie über die Blätter der Nahrungspflanzen an andere Individuen senden. Die Erzeugung dieser Signale ist gut untersucht. Lange galt die Annahme, dass die Zikaden sie mit einfachen, aus wenigen Zellen bestehenden Sinnesorganen in den Beinen wahrnehmen. Derartige Sensoren besitzen fast alle Insekten.
Rhododendronzikade, (c) Regine Schadach/NABU-naturgucker.de
Rhododendronzikade
(c) Regine Schadach/NABU-naturgucker.de
Bei Untersuchungen der → Rhododendronzikade (Graphocephala fennahi) haben die Forschenden festgestellt, dass die Insekten zur Wahrnehmung der Signale über ein spezielles Sinnesorgan im vorderen Bereich des Hinterleibs verfügen. Es besteht aus feinen Membranen und verstärkten Teilen des äußeren Skeletts (Exoskeletts). Übereinstimmende Orane identifizierten sie auch bei der → Wiesenschaumzikade (Philaenus spumarius) und der → Echten Käferzikade (Issus coleoptratus).[1]
Echte Käferzikade, (c) Peter Reus/NABU-naturgucker.de
Echte Käferzikade
(c) Peter Reus/NABU-naturgucker.de
Im Verhältnis zur Größe der Rhododendronzikaden von 8 Millimetern ist das Sinnesorgan laut Erstautorin Sarah Ehlers ungewöhnlich groß. Es ist der erste Fund eines solch komplexen Organs am Hinterleib bei einer Insektenordnung. Damit erhoffen sich die Forschenden weitere Erkenntnisse, wie sich aus der entwicklungsgeschichtlich älteren Kommunikationsweise über Vibrationen die Kommunikation über Schallwellen entwickelt hat.
Paarung der Rhododendronzikade, (c) Monika Waldhelm/NABU-naturgucker.de
Paarung der Rhododendronzikade
(c) Monika Waldhelm/NABU-naturgucker.de
Zudem hat der Fund einen praktischen Nutzen in der biologischen Schädlingsbekämpfung. Bis zu 30 Zikaden-Arten sind durch ihre Saugtätigkeit als Schädlinge an Kulturpflanzen bekannt. Einige Arten übertragen Pilze, Bakterien, Viren oder Phytoplasmen (zellwandlose Bakterien und Erreger von Pflanzenkrankheiten).[2] Versuche, mit Störsignalen die Paarung zu verhindern, haben bereits Erfolge gezeigt. Mit der Entdeckung des neuen Organs sind weitere Forschungen zur Abschreckung der Kleinzikaden möglich.

[1] Ehlers S, Baum D, Mühlethaler R, Hoch H, Bräunig P. 2022 Large abdominal mechanoreceptive sense organs in small plant-dwelling insects. Biol. Lett.18:20220078. DOI: → 10.1098/rsbl.2022.0078

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Kommentare

  • AM
    Mangold, Antje [Antje Mangold]
    Faszinierend - Störsignale statt Insektizide! Nachrichten wie diese lassen mein Interesse an der Forschung weiter anwachsen.

    Erstellt am11. Mai 2022