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Artenzahl der Insekten in Deutschland höher als bislang beschrieben

Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 1. Aug 2025, 08:45
Bislang sind etwa 1,8 Millionen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten weltweit beschrieben, wobei immer wieder neue Spezies entdeckt werden. Insbesondere gilt das bei den Wirbellosen, deren Vorkommen höchstens regional gut bekannt sind. Insekten sind die artenreichste taxonomische Tiergruppe. Sie sind essenziell für Ökosystemdienstleistungen wie Bestäubung, Nährstoffkreislauf und Zersetzung organischer Stoffe, und doch wissen wir zu wenig über ihre Verbreitung, biotischen Wechselwirkungen oder die Zahl der noch existierenden Arten.
Hofdame: in Deutschland vom Aussterben bedroht, (c) Bernhard Konzen/NABU-naturgucker.de
Hofdame: in Deutschland vom Aussterben bedroht
(c) Bernhard Konzen/NABU-naturgucker.de
Weltweit sind rund 1 Million Insektenspezies beschrieben; Schätzungen gehen von einer vielfachen Zahl aus. Selbst in entomologisch gut untersuchten Gebieten werden immer wieder neue Arten entdeckt. Um den Rückgang dieser wichtigen Artengruppen besser verstehen und wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen zu können, müssen die Veränderungen in den Lebensgemeinschaften großräumig und über lange Zeiträume dokumentiert werden. Neue Möglichkeiten hierzu bietet das DNA-Metabarcoding. Mit diesem molekularbiologischen Verfahren werden genetische Spuren von Lebewesen in Umweltproben bereits eindeutig bestimmten Arten zugeordnet. Untersucht werden spezifische DNA-Sequenzen, sogenannte Barcodes, die für jede Art einzigartig sind.
Zuckmücke: bei den Vorkommen der Zweiflügler in Deutschland gibt es große Wissenslücken, (c) Ralph Bergs/NABU-naturgucker.de
Zuckmücke: bei den Vorkommen der Zweiflügler in Deutschland gibt es große Wissenslücken
(c) Ralph Bergs/NABU-naturgucker.de
Ein Team der Universität Duisburg-Essen und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hat ein kostengünstiges Verfahren mit Laborrobotern entwickelt, um eine große Zahl von Proben parallel und schnell analysieren zu können. Untersucht wurden 1.815 Proben aus 75 Malaise-Fallen, die über ganz Deutschland und viele verschiedene Lebensräume verteilte sind. Dabei konnten sie 31.486 fliegende Arten nachweisen, von denen für rund ein Drittel ein Referenz-Barcode vorliegt oder die bereits beschrieben sind. Die Gesamtzahl der für Deutschland bekannten Insektenarten liegt bei rund 35.500, weshalb die Forschenden davon ausgehen, dass sie bei ihrer Untersuchung eine Vielzahl an Spezies identifiziert haben, die hier oder sogar für die Wissenschaft insgesamt noch unbekannt sind. In ihrem reproduzierbaren Arbeitsablauf sehen sie eine Blaupause für die umfassende Überwachung der Biodiversität von Insekten nahezu in Echtzeit.[1]
Dünen-Sandlaufkäfer: an sandige Böden gebunden, (c) Helene Germer/NABU-naturgucker.de
Dünen-Sandlaufkäfer: an sandige Böden gebunden
(c) Helene Germer/NABU-naturgucker.de
Bei einer weiteren Untersuchung diesen Datensatzes haben Forschende von Senckenberg und aus Deutschland gezeigt, dass die Vielfalt an Insekten vor allem von der Landnutzung und Bodenbedeckung und weniger von Wetter- und Klimaeinflüssen geprägt wird. Je heterogener Vegetation und Bodenbedeckung waren, desto höher waren die Insektenbiomasse und der Artenreichtum in den Untersuchungsjahren 2019 und 2020. Lebensräume mit geringer Vegetation hatten die höchste Artenvielfalt wichtiger Taxa, darunter Bestäuber und bedrohte Arten, sowie die größte Vielfalt an Ernährungsmerkmalen. Sie übertrafen Wälder um bis zu 58 Prozent. Allerdings sind diese Lebensräume tendenziell weniger geschützt. Um den Rückgang der Insekten und ihrer Biomasse aufzuhalten, müssen daher die Schutz- und Bewirtschaftungsmaßnahmen gerade auch von nicht bewaldeten Gebieten verbessert werden.[2]

[1] Buchner, D., Sinclair, J. S., Ayasse, M., Beermann, A. J., Buse, J., Dziock, F., Enss, J., Frenzel, M., Hörren, T., Li, Y., Monaghan, M. T., Morkel, C., Müller, J., Pauls, S. U., Richter, R., Scharnweber, T., Sorg, M., Stoll, S., Twietmeyer, S., … Leese, F. (2025). Upscaling biodiversity monitoring: Metabarcoding estimates 31,846 insect species from Malaise traps across Germany. Molecular Ecology Resources, 25, e14023. DOI: → 10.1111/1755-0998.14023
[2] Sinclair, J. S., Buchner, D., Gessner, M. O., Müller, J., Pauls, S. U., Stoll, S., Welti, E. A. R., Bässler, C., Buse, J., Dziock, F., Enss, J., Hörren, T., Künast, R., Li, Y., Marten, A., Morkel, C., Richter, R., Seibold, S., Sorg, M., … Haase, P. (2025). Effects of land cover and protected areas on flying insect diversity. Conservation Biology, 39, e14425. DOI: → 10.1111/cobi.14425

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