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Schwertwale pflegen sich gegenseitig mit Tang

Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 4. Jul 2025, 08:20
Mit bis zu 9,8 Metern Länge und 9 Tonnen Gewicht ist der → Schwertwal (Orcinus orca) der größte Vertreter der Familie der → Delfine (Delphinidae). Die markante, schwertförmige Rückenfinne kann bei alten Männchen fast zwei Meter hoch werden. Weibchen sind generell kleiner und leichter als Männchen. Unverkennbar machen den Schwertwal seine schwarz gefärbte Oberseite mit dem weißen Augenfleck und die weiße Bauchseite. Er ist sehr sozial und lebt in engen Familienverbänden („Pods“). Zu finden ist er in allen Weltmeeren, weshalb die Art zu den am weitesten verbreiteten Säugetieren gehört.
Schwertwal vor Island, (c) Carsten Sekula/NABU-naturgucker.de
Schwertwal vor Island
(c) Carsten Sekula/NABU-naturgucker.de
Bis vor kurzem galt der Schwertwal als eine Art, die vor allem nach ihrer Morphologie und der Spezialisierung in ihrer Ernährungsweise in bis zu zehn verschiedene Formen, sogenannte Ökotypen, eingeteilt wird. Mehrere Studien haben bereits eine taxonomische Überarbeitung vorgeschlagen – in der Literatur werden bis zu 23 Arten und vier Unterarten genannt. Eine 2024 veröffentlichte Studie der US-Behörde NOAA Fisheries regt an, dass die Schwertwale im östlichen Nordpazifik als zwei getrennte Arten anerkannt werden sollten. Dazu haben die Forschenden die ökologischen, morphologischen und genetischen Daten von zwei dort lebenden Ökotypen überprüft. Sie schlagen vor, die auf dem Kontinentalschelf in temperierten und arktischen Gewässern wandernden Schwertwale als Orca rectipinnus anzuerkennen, die überwiegend residenten Wale der Küstenregion als Orca ater. [1]
Schwertwale in der Antarktis
(c) Rainer Löter/NABU-naturgucker.de
Daraufhin hat das Taxonomy Committee von The Society for Marine Mammalogy im Juli 2024 die Art im Nordpazifik zunächst in drei verschiedene Unterarten getrennt. Ihre Lebensräume überschneiden sich, doch scheinen sie sich nicht miteinander fortzupflanzen. Nomadisch lebende Orcas (Orcinus orca rectipinnus) haben sich auf Meeressäuger als Nahrung spezialisiert, während residente Schwertwale (Orcinus orca ater) Fische jagen. Haie, aber auch andere Fische jagen die Offshore-Orcas (Orcinus orca orca). Weitere Überarbeitungen der Taxonomie, auch in Bezug auf andere Regionen der Welt, werden erwartet. Insgesamt gilt die Art nicht als bedroht, doch liegen für eine genauere Gefährungsbeurteilung der Schwertwale in der Roten Liste der → International Union for Conservation of Nature (IUCN) keine ausreichenden Daten zu den Populationen und ihrer Entwicklung vor. Regionale Populationen sind allerdings bedroht oder sogar vom Aussterben gefährdet.[2]
Bullenpeitschentang in Alaska, (c) Frank Hartmann/NABU-naturgucker.de
Bullenpeitschentang in Alaska
(c) Frank Hartmann/NABU-naturgucker.de
Zahlreiche Untersuchungen beschäftigen sich mit dem komplexen Sozialleben und den vielfältigen und immer wieder neuartigen Verhaltensweisen der Schwertwale. Während die Herstellung und Verwendung von Werkzeugen bei Landtieren bereits mehrfach dokumentiert worden ist, wird das bei Meerestieren deutlich seltener beobachtet. Bisherige Beispiele beschränken sich auf den Werkzeuggebrauch zur Nahrungssuche, und diese Werkzeuge sind nicht verändert worden. In der Gruppe der „Southern Residents“ (Orcinus orca ater), die sich zwischen Vancouver Island und Washington aufhält, haben amerikanische Forschende nun beobachtet, dass die Tiere sich Stücke von → Bullenpeitschentang (Nereocystis luetkeana) passend zurechtbeißen und sich damit gegenseitig pflegen. Dazu schwimmen zwei Tiere nebeneinander und reiben die Tangstängel zwischen sich. Am häufigsten zeigen eng verwandte oder ähnlich alte Tiere dieses Verhalten, doch zeigte es sich in allen Altersklassen und sozialen Gruppen. Es ist der erste Nachweis, dass Meeressäuger Werkzeuge selbst herstellen. Während diese gegenseitige Hautpflege bei dieser Schwertwalgruppe ein häufiges und offenbar sozial wichtiges Verhalten ist, ist es bei anderen Schwertwalpopulationen bislang nicht beobachtet worden. Mit nur noch knapp 80 Individuen ist die Population der Southern Residents, die sich nicht mit anderen Schwertwalen fortpflanzt, vom Aussterben bedroht. Mit ihnen würde auch dieses womöglich kulturell einzigartige Verhalten verschwinden.[3]

[1] Morin Phillip A., McCarthy Morgan L., Fung Charissa W., Durban John W., Parsons Kim M., Perrin William F., Taylor Barbara L., Jefferson Thomas A. and Archer Frederick I. 2024. Revised taxonomy of eastern North Pacific killer whales (Orcinus orca): Bigg’s and resident ecotypes deserve species status, R. Soc. Open Sci.11231368. DOI: → 10.1098/rsos.231368
[3] Weiss, Michael N., John, Rachel E.,Caro-Ruiz, Alondra M., Ellifrit, David K., Grimes, Charli A., Redmond, Taylor A., Vargas, Arlene A., Croft, Darren P. Manufacture and use of allogrooming tools by wild killer whales. Current Biology Volume 35, Issue 12 PR599-R600 June 23, 2025. DOI: → 10.1016/j.cub.2025.04.021

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