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Hintergründe und Neues aus der Forschung leicht verständlich erklärt
Sperber und Habichte als erfolgreiche Jäger in der Stadt
Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 20. Jun 2025, 08:01
Bei uns kommen zwei Vertreter der Gattung Accipiter vor: der bis zu 67 Zentimeter große → Habicht (Accipiter gentilis) und der mit maximal 37 Zentimetern deutlich kleinere → Sperber (Accipiter nisus). Bei beiden Arten sind die Weibchen größer als die Männchen und schlagen die größere Beute. Habichte wie Sperber sind geschickte und schnelle Jäger. Neben ihren ursprünglichen Brut- und Lebensräumen in Wäldern haben sie teils die Vorzüge des Stadtlebens entdeckt.

Habicht mit Beute im Berliner Tiergarten
(c) Helene Germer/NABU-naturgucker.de
(c) Helene Germer/NABU-naturgucker.de
In Berlin erreichen Habichte mit rund 100 Brutpaaren gar eine der höchsten Siedlungsdichten weltweit, nachdem ihre erste Brut im Stadtgebiet in den 1980er-Jahren nachgewiesen und bewacht worden ist. Berlin bietet dem Habicht mit großen Grünanlagen und Friedhöfen gute Bedingungen für die Jagd, überwiegend auf → Straßentauben (Columba livia f. domestica), sowie die Brut. In der Stadt gibt es allerdings auch viele Gefahrenquellen, von denen besonders Glasscheiben Vögeln zum Verhängnis werden können. Im ersten Lebensjahr sterben 40 Prozent der jungen Habichte, im zweiten 30 Prozent.[1] Vögel können Glasscheiben nicht als Hindernis erkennen, sondern sehen hier die Landschaft dahinter oder in der Spiegelung. Bei einem Aufprall brechen sie sich häufig das Genick oder erleiden eine tödliche Gehirnerschütterung. Hochrechnungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) zufolge sterben in Deutschland jährlich 100 Millionen Vögel an Glasscheiben.[2]

Rundschwanzsperber im Jachthafen von Sanford, Florida
(c) Artur Segadlo/NABU-naturgucker.de
(c) Artur Segadlo/NABU-naturgucker.de
In den Vereinigten Staaten zieht es Verwandte von Sperber und Habicht ebenfalls in Siedlungen. So überwintern seit den 1970er Jahren → Rundschwanzsperber (Accipiter cooperii) vermehrt in Städten und brüten hier teils. Ihre Beute schlagen sie auch an Vogelfütterungen. Mit einer ganz besonderen Jagdtechnik ist ein junger Rundschwanzsperber einem Forscher in der Stadt West Orange im amerikanischen New Jersey aufgefallen. Er stellte auf seinem regelmäßigen Weg fest, dass der Sperber Autos, die an einer Kreuzung warteten, als Deckung zu nutzen schien, um in einem Garten Singvögel zu jagen. Daraufhin beobachtete er das Geschehen gezielt. An 18 unterschiedlichen Tagen zeigte sich bei sechs Angriffen, dass der Sperber auf das akustische Signal der Ampel reagierte, wenn Fußgänger die Kreuzung queren wollten. In diesen Fällen dauerte die Rotphase für die Autos 90 Sekunden statt 30, sodass sich mehr Autos zurückstauten und nur so dem Sperber optimale Deckung gaben. Sein Ziel war ein Garten, in dem sich morgens verschiedene Singvögel zur Nahrungssuche einfanden. Von seiner Deckung, aus der er startete, konnte er diesen Garten nicht sehen, weshalb der Forscher davon ausgeht, dass der Sperber eine genaue räumliche Vorstellung des Gebietes hat. Außerdem war er offenbar fähig, das akustische Signal der Ampel als Hinweis auf die verlängerte Autoschlange zu verstehen. Es gibt bereits viele Untersuchungen zu Anpassungen von Vögeln an ihre städtische Umgebung, doch diese Beobachtung sticht im Ausmaß des Verständnisses für den menschlichen Verkehr und dessen Nutzung hervor.[3]
[3] Dinets V (2025) Street smarts: a remarkable adaptation in a city-wintering raptor. Front. Ethol. 4:1539103. DOI: → 10.3389/fetho.2025.1539103