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Bartgeier können sich in den Alpen in 10 Jahren verdoppeln

Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 14. Mär 2025, 08:10
→ Bartgeier (Gypaetus barbatus) fliegen auf das, was sogar andere Aas fressende Tiere übriglassen: Knochen. Fast ausschließlich ernähren sie sich davon und nehmen damit eine Sonderrolle selbst unter den 23 Geierarten weltweit ein. Das klingt sich nach einer harten und kargen Kost, doch enthalten Knochen neben Mineralien auch Eiweiße und Fette. Mit der sauersten Magensäure im ganzen Tierreich können Bartgeier sie verdauen.
Bartgeier in Südtirol im Jahr 2025, (c) Michael Wüst/NABU-naturgucker.de
Bartgeier in Südtirol im Jahr 2025
(c) Michael Wüst/NABU-naturgucker.de
Dafür benötigen sie viel Flüssigkeit. Zu große Brocken lassen sie von der Schwerkraft zerkleinern, indem sie sie im Flug zu Boden fallen lassen. Knochen mit einer Länge von bis zu 30 Zentimeter werden verschluckt. Erstickung müssen sie nicht fürchten, denn ihre Luftröhre reicht fast bis zur Schnabelspitze, weshalb sie auch mit vollem Hals Luft bekommen. Mit ihrer Ernährung stehen Bartgeier also ziemlich allein da, und doch hat sie der Mensch gefürchtet und als „Lämmergeier“ verfolgt.
Anfang des 20. Jahrhunderts waren sie im Alpenraum ausgerottet. Seit 1986 werden Tiere aus dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm der Zoos (EEP) in den Alpen ausgewildert. In Deutschland betreuen der → Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der → Nationalpark Berchtesgaden ein gemeinsames Projekt. Über zehn Jahre hinweg werden jährlich zwei bis drei junge Bartgeier ausgewildert, um die Tiere wieder in Bayern anzusiedeln. Sieben dieser Bartgeier ziehen aktuell ihre Kreise in den Alpen. In den West- und Zentralalpen vermehren sich die Geier seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig, während die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend vorankommt.[1]
Bartgeier in Südtirol im Jahr 2018, (c) Werner Baubkus/NABU-naturgucker.de
Bartgeier in Südtirol im Jahr 2018
(c) Werner Baubkus/NABU-naturgucker.de
Im Jahr 2024 hatten die Bartgeier ihre bislang beste Brutsaison in den Alpen. 61 Junggeier sind ausgeflogen, davon 24 in der Schweiz, 17 in Frankreich, 14 in Italien und 6 in Österreich.[2] Laut einer Studie der Universität Bern, der Schweizerischen Vogelwarte und der Stiftung Pro Bartgeier kann sich die Bartgeierpopulation in den nächsten zehn Jahren sogar verdoppeln. Sterben allerdings nur neun Tiere zusätzlich pro Jahr, schrumpft der Bestand wieder. Daher ist es weiterhin wichtig, die Sterblichkeitsrisiken, beispielsweise durch Kollisionen mit Leitungen und Windenergieanlagen, Vergiftungen, illegale Abschüsse sowie Störungen am Brutplatz, zu minimieren. 2021 lebten in den Alpen schätzungsweise 172 Weibchen, von denen 65 brüteten. Im Zentrum der Alpen waren die Überlebensraten der Altvögel und der Bruterfolg höher als in der Peripherie, weshalb in der Peripherie weiterhin Auswilderungen notwendig sind.[3]
Lebensraum der Bartgeier sind die offenen, felsigen Gelände im Gebirge oberhalb der Baumgrenze. Neben den Alpen gibt es Bestände im Mittelmeerraum, Afrika und Zentralasien. Zur Nahrungssuche legen sie auch große Distanzen zurück. Mit ihrer Flügelspannweite von bis zu 290 Zentimetern sind sie sehr gute und ausdauernde Segler. Mit 5 bis 7 Jahren werden Bartgeier geschlechtsreif. Meist brüten sie erst einige Jahre danach erstmals erfolgreich. Sie können ein Alter von bis zu 45 Jahren erreichen.
Bartgeier in Graubünden im Jahr 2024, (c) Ronny Schuster/NABU-naturgucker.de
Bartgeier in Graubünden im Jahr 2024
(c) Ronny Schuster/NABU-naturgucker.de

[3] Schaub, M., Loercher, F., Hegglin, D., & Arlettaz, R. (2024). Demographic assessment of reintroduced bearded vultures in the Alps: Success in the core, challenges in the periphery. Ecological Solutions and Evidence, 5, e12347. DOI: → 10.1002/2688-8319.12347

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