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Hintergründe und Neues aus der Forschung leicht verständlich erklärt
Zugvögel tauschen unterwegs Informationen auch über Arten hinweg aus
Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 21. Feb 2025, 08:35
Von den rund 250 in Deutschland brütenden Vogelarten sind rund die Hälfte Zugvögel. Langstreckenzieher sind meist reine Insektenfresser und überwintern in Afrika. Etwa zwischen April und August sind diese gut 80 Arten, beispielsweise → Kuckuck (Cuculus canorus) und → Rauchschwalbe (Hirundo rustica), in ihren hiesigen Brutgebieten. Dagegen fliegen Kurzstreckenzieher bis West- oder Südeuropa und halten sich etwa zwischen Februar und Herbst bei uns auf. Sie können ihre Zugzeiten eher an das aktuelle Wettergeschehen anpassen. Gut 40 Arten sind Kurzstreckenzieher, darunter → Kranich (Grus grus) und → Kiebitz (Vanellus vanellus).

Kraniche über Berlin am 4. Februar 2025
(c) Jutta Mann/NABU-naturgucker.de
(c) Jutta Mann/NABU-naturgucker.de
Kraniche gehören auf dem → Meldeportal von NABU|naturgucker zu den ziehenden Vogelarten, die besonders häufig beobachtet und eingetragen werden. Dank dieser umfangreichen Daten lässt sich aktuell feststellen: Nur in den Jahren 2016 und 2018 startete der Kranichzug noch früher als in diesem und im letzten Jahr. Bereits um den Jahreswechsel flogen erste Trupps nicht nach Südwesten, sondern nach Norden. In der letzten Januarwoche hat der Zug in die Winterquartiere dann richtig eingesetzt. Von Niedersachsen bis Mecklenburg-Vorpommern haben Anfang Februar bereits viele Kranichpaare ihre Reviere bezogen. Rund 400.000 Kraniche ziehen über Westeuropa und halten sich im Winter ungefähr zur Hälfte in Frankreich und in Spanien auf. Etwa 20.000 dieser ikonischen Vögel überwintern inzwischen in Deutschland.[1]

Goldwaldsänger in New York City
(c) Artur Segadlo/NABU-naturgucker.de
(c) Artur Segadlo/NABU-naturgucker.de
Seit langem wird der Vogelzug intensiv erforscht. Bislang wird angenommen, dass die meisten Zugvögel unabhängig voneinander wandern und von inneren Einflüssen sowie individueller Erfahrung geleitet werden. Soziale Einflüsse, die die Navigation, Orientierung oder das Überleben unterstützen, könnten während risikoreicher Zugphasen wertvoll sein. In einer aktuellen Studie haben Forschende untersucht, ob Vögel auf dem Zug über Artgrenzen hinweg Informationen austauschen. Dafür haben sie mehr als 18.000 Stunden nächtlichen Vogelzugs aufgezeichnet und mit Hilfe von Deep Learning über 175.000 Lautäußerungen von 27 nordamerikanischen Landvogelarten extrahiert. Anhand der Lautäußerungen konnten sie mögliche nicht-zufällige Verteilungen während des Flugs erkennen. Dabei stellten sie fest, dass die Zugvögel mit einigen anderen Spezies deutliche Verbindungen eingingen, die bei Arten mit ähnlicher Flügelmorphologie und Vokalisation stärker ausgeprägt waren. Es handelt sich um den ersten quantitativen Nachweis für artübergreifende soziale Verbindungen während des nächtlichen Vogelzugs. Für kleine und kurzlebige Spezies könnten diese eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen, indem sie endogene oder erfahrungsbedingte Informationsquellen ergänzen. Daraus leiten die Forschenden ab, dass der Zug von Singvögeln unter sozialen Gesichtspunkten neu betrachtet werden sollte. Diese Erkenntnisse unterstützen die Forderung, den Zug von Singvögeln unter sozialen Gesichtspunkten neu zu betrachten. [2]
Über die Verhaltensänderungen von Zugvögeln haben wir in diesem Blog schon häufiger berichtet:
- April 2023, → Manche Vögel beschleunigen ihren Zug
- Juli 2023, → Viele Zugvögel brüten weniger erfolgreich
- März 2024: → Anführer und Bummler: Weißstörche auf dem Zug
- April 2024: → Kraniche ändern ihr Zugverhalten
[2] Van Doren, Benjamin M., DeSimone, Joely G., Firth, Josh A., Hillemann, Friederike, Gayk, Zach, Cohen, Emily, Farnsworth, Andrew. Social associations across species during nocturnal bird migration. Current Biology 2025/02/20. DOI: → 10.1016/j.cub.2024.12.033