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Vom Beziehungsleben der Vögel
Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 17. Jan 2025, 07:45
Rund 90 Prozent der weltweit knapp 11.000 Vogelarten gelten als monogam. Monogamie ist bei Vögeln deutlich häufiger als bei anderen Wirbeltieren, die meist nur für die Paarung zusammenkommen und deren Nachwuchs von einem Elternteil aufgezogen werden kann oder für sich selbst sorgen muss. Bei Vögeln dagegen ist diese Investition deutlich größer, was ein Elternteil allein meist gar nicht leisten kann. Eier müssen kontinuierlich bebrütet, Junge sehr oft gehudert und gefüttert werden.
Fütternde Amsel
(c) Georg-Dietrich Kunzendorf/NABU-naturgucker.de
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Das bedeutet nicht, dass sich monogame Vögel lebenslang verpaaren – die Bindung kann auch nur für eine Brut, eine Brutsaison oder einige Jahre halten. Bei den meisten → Sperlingsvögeln (Passeriformes) besteht sie für eine Saison oder einige aufeinanderfolgende. Langlebige Arten wie → Albatrosse (Diomedeidae), → Schwäne (Cygnus) oder → Papageien (Psittaciformes) bilden oft dauerhafte Beziehungen, bis ein Partner stirbt.
Höckerschwanen-Paar
(c) Jürgen Podgorski/NABU-naturgucker.de
(c) Jürgen Podgorski/NABU-naturgucker.de
Je nach Art investieren die Partner unterschiedlich viel Energie in den Nachwuchs. Die Spanne reicht von Arten, bei denen die Männchen nur Wache halten, bis zu Spezies, bei denen die Männchen das Weibchen füttern, die Eier im Wechsel bebrüten und den Nachwuchs mit Nahrung versorgen. Bei bodenbrütenden Vögeln wie den Schwänen verteidigen die Männchen zudem das Nest und die Jungen vor Raubtieren.
Schellentenweibchen mit 12 Jungen
(c) Wolfgang Katz/NABU-naturgucker.de
(c) Wolfgang Katz/NABU-naturgucker.de
Monogamie ist bei den Vögeln nicht unbedingt gleichzusetzen mit Treue, wie genetische Untersuchungen gezeigt haben. Nachkommen in einem Nest können von mehr als einem Männchen und/oder mehr als einem Weibchen abstammen. Es gibt außerdem Nestparasitismus, bei dem Weibchen ihre Eier in das Nest eines anderen Weibchens der gleichen Spezies legen. Bekannt hierfür sind beispielsweise die → Schellenten (Bucephala clangula). Monogamie ist daher bei den Vögeln eher ein soziales Verhalten, bei dem ein Paar gemeinsam die Jungen eines Nestes aufzieht.[1]
Birkhühner balzen in Arenen, sogenannten Leks, um die Weibchen
(c) Erich Thielscher/NABU-naturgucker.de
(c) Erich Thielscher/NABU-naturgucker.de
In einer aktuellen Studie haben amerikanische Forschende die Evolution sozialer Paarungssysteme von 66 Prozent aller Vogelarten weltweit untersucht. Die Lek-Paarung, bei der Männchen für mehrere Weibchen balzen, aber keine Bindungen eingehen, zeigt sich als evolutionär stabil. Das unterstützt die Hypothese, nach der Männchen bei einer Rückkehr zur Einzelpaarung einen erheblichen Fitnessnachteil erleiden würden. Häufig zur Monogamie zurück wechseln dagegen polygame Arten, die ein Territorium verteidigen, um Partner anzulocken und mit diesen eine schwache, vorübergehende Bindung einzugehen. Sie weisen zudem eine erhöhte Aussterberate auf. Vermutet wird, dass sich die Weibchen in diesem System nicht auf eine optimale Strategie für die Betreuung des Nachwuchses festlegen können.[2]
[2] Rafael S Marcondes, Nicolette Douvas, Social mating systems in birds: resource-defense polygamy—but not lekking—is a macroevolutionarily unstable trait, Evolution, Volume 78, Issue 12, 1 December 2024, Pages 1980–1990. DOI: → 10.1093/evolut/qpae123