NABU|naturgucker Akademie

Wissen

Hintergründe und Neues aus der Forschung leicht verständlich erklärt

Funktionen

Bartenwale: Langlebig und bedeutend für marine Ökosysteme

Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 27. Dez 2024, 08:35
Weltweit sind rund 90 Arten von → Walen (Cetacea) beschrieben. Rund 75 Arten zählen zur Unterordnung der Zahnwale (Odontoceti), rund 14 zur Unterordnung der Bartenwale (Mysticeti). Letztere haben keine Zähne, sondern filtrieren ihre Nahrung – hauptsächlich tierisches Plankton – durch einen Seihapparat aus Keratin. Bartenwale wandern mit den Jahreszeiten: Im Winter pflanzen sie sich in warmen, äquatorialen Gewässern fort, im Sommer suchen sie Nahrung in polaren Gewässern.
Südkaper vor Südafrika, (c) Frank Hartmann/NABU-naturgucker.de
Südkaper vor Südafrika
(c) Frank Hartmann/NABU-naturgucker.de
Stärker als früher angenommen beeinflussen Bartenwale marine Ökosysteme. Eine 2021 veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass ihr Beutekonsum in einigen Regionen um das Dreifache unterschätzt worden ist. Vor dem Walfang verzehrten die Bartenwal-Populationen allein im Südlichen Ozean jährlich etwa 430 Millionen Tonnen → Antarktischen Krill (Euphausia superba). Das entspricht dem Doppelten der Biomasse der heutigen Vorkommen von Antarktischem Krill und mehr als dem Doppelten der heutigen weltweiten Fangmenge der Meeresfischerei. Exkremente von Walen sind eine wichtige Nährstoffquelle im offenen Ozean, die insbesondere durch Eisen das Wachstum von Phytoplankton als Grundlage des marinen Nahrungsnetzes fördert und zur Aufnahme von Kohlendioxid in marinen Ökosystemen beiträgt. Die Wiederansiedlung von Bartenwalen könnte die Ökosystemfunktionen wiederherstellen, die während des industriellen Walfangs im 20. Jahrhundert verloren gegangen sind. Zwei bis drei Millionen Tiere sind in dieser Zeit getötet worden. Heute erreichen die Populationen vieler Arten nur noch einen Bruchteil ihrer damaligen Vorkommen.[1]
Südkaper vor Südafrika, (c) Peter und Birgit Schaffner/NABU-naturgucker.de
Südkaper vor Südafrika
(c) Peter und Birgit Schaffner/NABU-naturgucker.de
Wale sind die größten lebenden Tiere, und es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Körpergröße und Langlebigkeit. Laut einer aktuellen Studie könnte die Langlebigkeit bei Walen eher die Regel als die Ausnahme sein. Dokumentiert sind beispielsweise ein → Finnwal (Balaenoptera physalus) mit einem Alter von 110 Jahren, ein → Blauwal (Balaenoptera musculus) mit einem Alter von 114 Jahren und ein mindestens 130 Jahre alter → Grönlandwal (Balaena mysticetus). In den meisten heutigen Walpopulationen dürften fast keine Tiere vorkommen, die mehr als 100 oder 150 Jahre alt sind – sie hätten 40 bzw. 90 Jahre intensiver Bejagung überleben müssen. Forschende haben Datenbanken mit Markierungs- und Wiederfangdaten aus mehr als 40 Jahren vom → Südkaper (Eubalaena australis) und dem gefährdeten → Atlantischen Nordkaper (Eubalaena glacialis) an Überlebensmodelle angepasst, um ihre Lebensspanne zu schätzen. Derzeit wird ihre maximale Lebenserwartung auf 70 bis 75 Jahre geschätzt. Den Ergebnissen zufolge beträgt die mittlere Lebenserwartung des Südkapers etwa 74 Jahre, wobei mehr als 10 Prozent der Individuen über 130 Jahre alt werden. Wahrscheinlich durch anthropogene Einflüsse verkürzt ist die Lebensspanne des Atlantischen Nordkapers mit einer mittleren Lebenserwartung von nur 22 Jahren. Nur ein kleiner Teil der Tiere überlebt das Alter von 45 Jahren. Angesichts der kürzlich bei anderen Walarten dokumentierten extremen Langlebigkeit vermuten die Forschenden, dass alle Bartenwale und vielleicht auch die meisten Großwale eine höhere Lebenserwartung haben als bislang angenommen. Diese unerkannte Langlebigkeit hat tiefgreifende Auswirkungen auf die grundlegende Biologie und den Schutz der Wale.[2]

[1] Savoca, M.S., Czapanskiy, M.F., Kahane-Rapport, S.R. et al. Baleen whale prey consumption based on high-resolution foraging measurements. Nature 599, 85–90 (2021). DOI: → 10.1038/s41586-021-03991-5
[2] Greg A. Breed et al., Extreme longevity may be the rule not the exception in Balaenid whales. Sci. Adv.10, eadq3086 (2024). DOI: → 10.1126/sciadv.adq3086

Funktionen

Bisher wurde noch kein Kommentar abgegeben.