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Karstweißling breitet sich nach Norden aus
Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 20. Dez 2024, 09:00
In Deutschland kommen fünf Schmetterlingsarten aus der Gattung → Pieris vor. Alle haben eine weiße Grundfarbe der Flügel mit mehr oder weniger starken dunklen oder schwarzen Zeichnungen auf der Oberseite. Sehr häufig werden der → Kleine Kohlweißling (Pieris rapae) und der → Große Kohlweißling (Pieris brassicae) auf dem Meldeportal von → NABU|naturgucker eingetragen. Seit 2008 breitet sich der aus dem Mittelmeerraum stammende → Karstweißling (Pieris mannii) bei uns aus.
Karstweißling im Mai 2023 in der Schweiz, (c) René Bürgisser/NABU-naturgucker.de
Er sieht dem Kleinen Kohlweißling sehr ähnlich. Wichtige Unterscheidungsmerkmale sind der stufige Apikalfleck, der bis auf die Höhe des Diskalflecks reicht, und der eckige Diskalfleck im äußeren Drittel des Flügels beim Karstweißling. Dagegen hat das Männchen des Kleinen Kohlweißlings hellgraue Flügelspitzen und nur je einen grauen Punkt in der Flügelmitte, das Weibchen grauschwarze Flügelspitzen und zwei schwarze Punkte in der Flügelmitte. Außerdem sind die Spitzen der Vorderflügel des Karstweißlings stärker gerundet als die des Kleinen Kohlweißlings.
Zum Vergleich: Kleiner Kohlweißling, (c) Ursula Spolders/NABU-naturgucker.de
Beobachtet wird er derzeit vor allem im Süden und Westen Deutschlands; Meldungen gibt es aber auch beispielweise aus Berlin und Schleswig-Holstein. Im Mittelmeergebiet bewohnt die Art trockene und felsige Gebiete oder magere, steinige Wiesen. Dagegen werden die nach Norden wandernden Karstweißlinge vor allem im Siedlungsraum gefunden, insbesondere an Beständen der → Schleifenblume (Iberis). Sie gehört in Südeuropa zu den Nahrungspflanzen der Raupen, während die sich ausbreitenden Populationen scheinbar eine besonders enge Bindung an diese Pflanzen haben. Vor der aktuellen Ausbreitungsbewegung waren Massenvermehrungen und große Wanderzüge vom Kleinen Kohlweißling und vom Großen Kohlweißling bekannt, nicht aber vom Karstweißling.[1]
Karstweißling im Juli 2018 in Nordrhein-Westfalen, (c) Sonja Klein/NABU-naturgucker.de
Forschende haben jüngst festgestellt, dass mit der Ausbreitung die genetische Vielfalt des Karstweißlings abgenommen hat. Sie haben genomweite Marker von frisch gefangenen Individuen verglichen mit Exemplaren aus Museumssammlungen, die vor Beginn der Ausbreitung konserviert worden waren. Dabei konnten sie eine bestimmte Population identifizieren, die diese Ausdehnung des Areals initiiert hat. Sie hat sich mit einheimischen lokalen Karstweißlingen vermischt, wodurch das ursprüngliche Erbgut durch das der sich ausbreitenden Individuen ersetzt worden ist. Fünf bis sechsmal im Jahr pflanzt sich der Karstweißling fort und kann so rasch große Populationen aufbauen. Die Studie zeigt, wie vom Menschen verursachte Umweltveränderungen gleichzeitig einer Art zugute kommen können, indem sie ihr eine Ausbreitung ermöglichen, und wie sie durch die genetische Vereinheitlichung zu einem Verlust an biologischer Vielfalt führen können.[2]
[1] → Michael Kratochwill: Der Karstweißling Pieris mannii (Mayer, 1851) – Neu in Bayern und Vorarlberg. In: Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 11:9-14, Bamberg (2011)
[2] Blattner, Lucas A. et al.: Urbanization-associated range expansion genetically homogenizes a butterfly species. Current Biology, Volume 34, Issue 19, 4589 - 4595.e4. DOI: → 10.1016/j.cub.2024.09.006