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Hintergründe und Neues aus der Forschung leicht verständlich erklärt
Gebietsfremde Insekten folgen gebietsfremden Pflanzen in neue Regionen
Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 15. Nov 2024, 08:10
Weltweit sind rund 40.000 Arten aus der Insektenordnung der → Wanzen (Heteroptera) bekannt. 1.000 Arten kommen in Mitteleuropa vor; in Deutschland gelten 895 als etabliert. Mehrheitlich sind Wanzen Pflanzensaftsauger. Darüber hinaus gibt es räuberische Spezies, die andere Insekten jagen. Wanzen leben in sehr verschiedenen Biotopen und sind meist wärme- und trockenheitsliebend.

Gemüsewanze, Nördliche Fruchtwanze und Kohlwanze auf Knoblauchsrauke, (c) Bernhard Konzen/NABU-naturgucker.de
Einige wenige Wanzenarten können bei Massenauftreten Schäden an Kulturpflanzen verursachen. Zu den bekanntesten gehören die → Mittlere Getreidespitzwanze (Aelia acuminata) an Getreide, die → Beerenwanze (Dolycoris baccarum) an Beerenobst oder die → Kohlwanze (Eurydema oleraceum) an Kohl. Eingeschleppte Arten wie die → Grüne Reiswanze (Nezara viridula) oder die → Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys) gewinnen als Schädlinge an Bedeutung. In Deutschland sind 19 Wanzenspezies vom Menschen eingeschleppt worden.[1]

Marmorierte Baumwanze, (c) Thomas Weitzel/NABU-naturgucker.de
Seit rund 200 Jahren nimmt die Zahl der gebietsfremden Insektenarten weltweit zu, teils mit negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme. Ein internationales Forschungsteam stellt in einer aktuellen Studie die Hypothese auf, dass sich durch die Verbreitung gebietsfremder Pflanzen auch nichtheimische Insektenspezies etablieren können, weil ihre Wirtspflanzen bereits vorhanden sind. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts werden Pflanzen weltweit an neuen Standorten eingeführt. Mehr als 13.000 Arten sind heute außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets etabliert. Insekten werden durch den internationalen Transport verschleppt oder gelangen selbst in neue Regionen.

Nymphen der Marmorierten Baumwanze, (c) Gudrun Monshausen/NABU-naturgucker.de
Ein Beispiel für das makroökologische Muster ist der → Chinesische Götterbaum (Ailanthus altissima) aus Ostasien, der heute zu den am weitesten verbreiteten Gehölzen weltweit gehört. Verschiedene Pflanzenfresser aus seiner Ursprungsregion wie die Marmorierte Baumwanze treten ebenfalls an neuen Standorten auf, an denen er vorkommt. Der Wanze scheint inzwischen zumindest stellenweise die → Samuraiwespe (Trissolcus japonicus) zu folgen, die sie parasitiert. Sowohl in Europa als auch in den USA ist sie bereits nachgewiesen worden. Aus Sicht der Forschenden sollte die unbeabsichtigte Ausbreitung nichtheimischer Pflanze begrenzt werden, damit sich weniger gebietsfremde Insekten etablieren können. So würden sowohl die Auswirkungen der Pflanzenarten auf die Ökosysteme abgemildert als auch das Übergreifen ihnen nachfolgender Insekten auf einheimische Pflanzenarten verringert.[2]

Chinesischer Götterbaum, (c) Reinhard Naumann/NABU-naturgucker.de
Über gebietsfremde und invasive Arten in Deutschland informiert das Bundesamt für Naturschutz auf dem Portal → Neobiota.de. Neobiota sind Tier- oder Pflanzenspezies, die erst durch den Einfluss des Menschen nach Deutschland gekommen sind und hier zuvor nicht heimisch waren. Viele davon wurden bewusst eingeführt, andere unbeabsichtigt durch Handel und Transport. Wenn sie sich über mehrere Generationen selbstständig und ohne weitere Unterstützung durch den Menschen erhalten können, gelten sie als etabliert. Rund 1.015 Arten konnten sich seit 1492 in Deutschland dauerhaft ansiedeln – das entspricht 1 Prozent der hier vorkommenden Arten insgesamt.[3]
Die meisten gebietsfremden Arten bedrohen weder unsere Natur, noch unsere Gesundheit oder Wirtschaft. Nur jene Spezies, die sich auf andere Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope negativ auswirken, gelten als invasiv. Etwa 10 Prozent der etablierten gebietsfremden Arten bereiten naturschutzfachliche Probleme und/oder verursachen wirtschaftliche Schäden. Nach der Zerstörung von Lebensräumen gelten invasive Spezies weltweit als zweitgrößte Gefährdungsursache für die Biologische Vielfalt.[4]
[2] Cleo Bertelsmeier, Aymeric Bonnamour, Eckehard G Brockerhoff, Petr Pyšek, Jiří Skuhrovec, David M Richardson, Andrew M Liebhold, Global proliferation of nonnative plants is a major driver of insect invasions, BioScience, 2024, biae088. DOI: → 10.1093/biosci/biae088