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Was Swimmingpools mit der Grube Messel zu tun haben

Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 8. Nov 2024, 07:00
Wie können Bürger*innen mit Beobachtungen zuhause zur Klärung paläontologischer Fragen beitragen? Das zeigt eine aktuelle Veröffentlichung zu Fossilfunden von Fledermäusen in der Welterbestätte → Grube Messel bei Darmstadt. Mehr als 500 meist vollständig erhaltene Skelette sind bislang ausgegraben worden. Forschende sind der Frage nachgegangen, ob die hohe Zahl auf eine Übersterblichkeit zurückzuführen ist, zum Beispiel durch giftige Gase, oder ob sie einer natürlichen Todesrate entspricht.
Jagende Wasserfledermaus in Brandenburg, (c) Ronny Schuster/NABU-naturgucker.de
Jagende Wasserfledermaus in Brandenburg, (c) Ronny Schuster/NABU-naturgucker.de
Vor 48 Millionen Jahren entstand der Maarvulkan-See in Messel. Magma traf auf Grundwasser, und der bei der Explosion gerissene Krater füllte sich im damals herrschenden subtropischen Klima mit Regenwasser. Am Grund des Sees gab es keinen Sauerstoff, sodass herabsinkende Pflanzen und Tiere in den sich hier ebenfalls ablagernden Sedimenten luftdicht konserviert wurden. Der See verlandete, und es bildete sich der bis zu 150 Meter mächtige Ölschiefer.
Vom späten 19. Jahrhundert bis 1971 wurde der Ölschiefer zur Ölgewinnung abgebaut. Nach ersten aufsehenerregenden Fossilienfunden begann die → Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mit regelmäßigen Grabungen. Zehntausende Fossilien von Pflanzen und Tieren sind bis heute geborgen worden. Ihre Qualität ist außergewöhnlich: So sind hier auch Weichteile wie Schuppen, Federn und Haare oder Fossilien mit Föten und Darminhalt erhalten. Selbst die Strukturfarben von Käfern oder die Fraßspuren von Insekten an Blättern sind konserviert und können untersucht werden.
Jagende Breitflügelfledermaus in Nordrhein-Westfalen, (c) Jürgen Podgorski/NABU-naturgucker.de
Jagende Breitflügelfledermaus in Nordrhein-Westfalen, (c) Jürgen Podgorski/NABU-naturgucker.de
Um die zahlreichen Tierfossilien in der Grube Messel zu erklären, gibt es zwei Hypothesen. Tiere könnten entweder schwere, giftige Gase wie Kohlendioxid eingeatmet haben, oder sie könnten beim Trinken Gifte von Cyanobakterien aufgenommen haben. In beiden Fällen wäre die Sterblichkeit höher, als wenn die Tiere durch Unfälle zu Tode gekommen wären. Allerdings sind die Fledermausfossilien relativ gleichmäßig über die Jahre abgelagert worden und treten nicht in einer Schicht gehäuft auf.
Zur Klärung beigetragen haben die Beobachtungen von Poolbesitzer*innen aus den USA. Bei Wasserknappheit nutzen Fledermäuse mitunter Swimmingpools als Wasserquelle. 496 Personen gaben in Online-Fragebögen an, wie oft die Tiere darin ertranken – 14 tote Tiere innerhalb eines Jahres war der höchste Wert. In Messel könnte die natürliche Sterblichkeit darüber gelegen haben, denn der See war größer und bestand im Gegensatz zu vielen Pools ganzjährig. Zudem gab es hier klimabedingt häufiger Unwetter.
Außerdem untersuchten die Forschenden an 46 frisch verstorbenen Fledermäusen, wie diese in Wasser versinken und wie sie am Grund eines Sees erhalten worden sein könnten. Kadaver mit wassergefüllten Lungen gingen schneller unter als solche mit luftgefüllten Lungen. Im flachen Wasser blähten sie sich auf und trieben an der Oberfläche, bevor sie zerfielen und absanken. Da in Messel so viele vollständig erhaltene Skelette gefunden worden sind, schließen die Forschenden auf eine große Tiefe des Sees. Ihren Schätzungen zufolge entspricht die Fledermaussterblichkeit in Messel jener in den amerikanischen Pools und zeigt keine Übersterblichkeit. Vergleiche mit modernen Umgebungen können unser Verständnis bereichern, welche Prozesse den Artenreichtum und die Häufigkeit einzelner Arten an bedeutenden paläontologischen Fundorten beeinflusst haben.[1]
Grube Messel im November 2024, (c) Ina Siebert/NABU-naturgucker.de
Grube Messel im November 2024, (c) Ina Siebert/NABU-naturgucker.de
Die Grube Messel ist eine von drei Weltnaturerbestätten der UNESCO in Deutschland. Sie wurde 1995 aufgenommen. 2009 folgte das Wattenmeer, das mehr als 10.000 Tier- und Pflanzenarten sowie 10 bis 12 Millionen durchziehende Zugvögel pro Jahr schützt und die größte Schlick- und Sandwattfläche weltweit ist. Als ein außergewöhnliches Beispiel ungestörter, komplexe Laubwälder der gemäßigten Zone gilt die transnationale Welterbestätte „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ seit 2011. Insgesamt gibt es 54 UNESCO-Welterbestätten in Deutschland.[2]

[1] Smith, K.T., Rabenstein, R. & O’Keefe, J. Was Palaeolake Messel a death-trap? Insight from modern bat drownings and decay experiments. Palaeobio Palaeoenv (2024). DOI: → 10.1007/s12549-024-00631-4

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