NABU|naturgucker Akademie

Wissen

Hintergründe und Neues aus der Forschung leicht verständlich erklärt

Funktionen

Schweinswale in der Nordsee jagen zwei Drittel ihrer Zeit

Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 20. Sep 2024, 08:05
Unser einziger heimischer Wal gehört zu den kleinsten Walen weltweit: Der → Gewöhnliche Schweinswal (Phocoena phocoena) erreicht eine Größe von bis zu maximal 180 Zentimetern und wiegt im Durchschnitt 50 bis 60 Kilogramm. Verbreitet ist er in flachen Küstengewässern auf der Nordhalbkugel. Sein weltweiter Bestand gilt laut der letzten Erhebung von 2020 für die → Rote Liste der IUCN als nicht gefährdet. Anders sieht es in deutschen Gewässern aus: Hier ist er vor allem durch Beifang in Stellnetzen, Umweltgifte und Unterwasserlärm insgesamt stark gefährdet. Die Population in der inneren Ostsee ist vom Aussterben bedroht.
Schweinswale im Juli 2024 vor Travemünde, (c) Thomas Schwarzbach/NABU-naturgucker.de
Schweinswale im Juli 2024 vor Travemünde
(c) Thomas Schwarzbach/NABU-naturgucker.de
Mit einer hohen Stoffwechselrate und der im Verhältnis zur Körpermasse relativ großen Oberfläche benötigt der Schweinswal in seinem eher kalten Lebensraum ständig Nahrung. Bekanntermaßen jagen sie vor allem kleine Fische in großer Zahl. Europäische Forschende haben jüngst 20 Tiere im Kattegat und der Beltsee mit Messgeräten ausgestattet, um ihr Jagd- und Nahrungsverhalten im Detail zu untersuchen. Durchschnittlich verbrachten diese Wale zwei Drittel ihrer Zeit mit Tauchgängen zur Nahrungssuche und fingen mehr als 70 Prozent ihrer Beute nachts. 80 Prozent der Tauchgänge reichten in Tiefen von bis zu 15 Meter. Meist dauerten sie weniger als zwei Minuten. Während der Tauchgänge stieg ihr Energieumsatz um weniger als 20 Prozent, womit ihre Jagdstrategie für sie energetisch günstig ist. Werden sie jedoch durch menschliche Aktivitäten in ihrer nahezu kontinuierlichen Nahrungssuche gestört, können sie ihren Energiebedarf nicht im notwendigen Umfang decken. Häufige Störungen wirken sich negativ auf ihre Kondition aus.[1]
Gewöhnlicher Schweinswal im März 2024 im Jadebusen, (c) Jan Herrmann/NABU-naturgucker.de
Gewöhnlicher Schweinswal im März 2024 im Jadebusen
(c) Jan Herrmann/NABU-naturgucker.de
Im weltweiten Vergleich gehört die Nordsee zu den Seegebieten mit den stärksten menschlichen Aktivitäten im Schiffsverkehr und der Energiegewinnung. Seit 2008 ist der Unterwasserlärm einer von elf Indikatoren, mit denen der Umweltzustand von Meeresregionen in der Europäischen Union bestimmt wird. Das Gemeinschaftsprojekt Joint Monitoring Programme for Ambient Noise in the North Sea (JOMOPANS) sollte einen Rahmen für die gemeinsame Überwachung von Umgebungslärm entwickeln, um politische Entscheidungstragende bei dessen Bewertung zu unterstützen. Zwölf Institutionen haben dazu Daten von 19 Unterwasserlärmpegeln in der gesamten Nordsee aus den Jahren 2019 und 2020 ausgetauscht. Aus dem Datensatz wurden Karten des Unterwasserlärms erstellt und Anfang 2024 veröffentlicht. So ist die Lautstärke am höchsten in der Nähe von Schifffahrtsrouten im Ärmelkanal und in der südlichen Nordsee, am niedrigstenn in tieferen Bereichen der nördlichen Nordsee mit weniger Schiffsverkehr. Auf dieser Grundlage können koordinierte Maßnahmen entwickelt werden, um den Unterwasserlärm zu reduzieren.[2]

[1] Laia Rojano-Doñate et al., Low hunting costs in an expensive marine mammal predator. Sci. Adv.10, eadj7132 (2024). DOI: → 10.1126/sciadv.adj7132
[2] F. Basan, J.-G. Fischer, R. Putland, J. Brinkkemper, C.A.F. de Jong, B. Binnerts, A. Norro, D. Kühnel, L.-A. Ødegaard, M. Andersson, E. Lalander, J. Tougaard, E.T. Griffiths, M. Kosecka, E. Edwards, N.D. Merchant, K. de Jong, S. Robinson, L. Wang, N. Kinneging, The underwater soundscape of the North Sea, Marine Pollution Bulletin, Volume 198, 2024, 115891, ISSN 0025-326X. DOI: → 10.1016/j.marpolbul.2023.115891

Funktionen

Bisher wurde noch kein Kommentar abgegeben.