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Stichlinge haben sich im Bodensee massiv ausgebreitet

Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 3. Mai 2024, 06:40
Von den küstennahen Gewässern bis in den Alpenraum ist der → Dreichstachlige Stichling (Gasterosteus aculeatus) in Deutschland verbreitet. Weltweit kommt er in Europa, Nordasien und Nordamerika in stehenden Gewässern und ruhigen Bereichen von Fließgewässern vor. Auf dem Rücken trägt der bis zu 11 Zentimeter lange Fisch drei namensgebende Stachelstrahlen.
Dreistachliger Stichling in Hessen, (c) Werner Bartsch/NABU-naturgucker.de
Dreistachliger Stichling in Hessen
(c) Werner Bartsch/NABU-naturgucker.de
Der Stichling lebt gesellig und bildet im Freiwasser Schwärme. In der Laichzeit allerdings verteidigt das Männchen sein Brutrevier. Er baut ein Nest aus Pflanzenmaterial und lockt das Weibchen mit ruckartigen Bewegungen hinein. Nach der Eiablage befruchtet er die Eier und bewacht das Gelege. Sein Pflegetrieb erlischt mit zunehmender Größe der Jungfische. In vielen Bereichen der Biologie, beispielsweise der Verhaltensforschung, dient der Stichling als Modellorganismus.
Dreistachliger Stichling als Beute in Baden-Württemberg, (c) Ulrich Köller/NABU-naturgucker.de
Dreistachliger Stichling als Beute in Baden-Württemberg
(c) Ulrich Köller/NABU-naturgucker.de
Intensiv untersucht wird seine Population im Bodensee, in dem er vermutlich in den 1940er-Jahren ausgesetzt worden ist.[1] Seit 2013 vermehrt er sich hier so massenhaft, dass er mittlerweile 96 Prozent des Fischbestands im Freiwasser stellt.[2] Problematisch ist diese Zunahme unter anderem für das → Bodensee-Felchen (Coregonus wartmanni), denn der Stichling ernährt sich als Räuber von Fischlaich und -larven sowie als Nahrungskonkurrent von Zooplankton und kleinen Wirbellosen. In einer Studie hat die Fischereiforschungsstelle in Langenargen Daten zu Gewicht und Anzahl der Felchen aus dem Zeitraum 1997 bis 2012 mit Daten von 2013 bis 2015 verglichen. Seit 2013 hat das mittlere Gewicht der Felchen im Herbst um ein Drittel abgenommen. Die Felchenerträge sind insgesamt stark zurückgegangen. Laut den Forschenden zeigen die Ergebnisse direkte Auswirkungen der Stichlinge auf die Felchen und die Fischgemeinschaft im Obersee.[3]
Toter Dreistachliger Stichling am Bodenseeufer, (c) Ina Siebert/NABU-naturgucker.de
Toter Dreistachliger Stichling am Bodenseeufer
(c) Ina Siebert/NABU-naturgucker.de
Gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Universität Glasgow haben sie in einer weiteren Studie die Stichlinge aus der Uferzone (Litoral) des Bodensees und dem Freiwasser (Pelagial) genetisch untersucht. Es ließen sich keine wesentlichen genetischen Differenzierungen zwischen Individuen aus diesen Lebensräumen feststellen. Demnach ist die große pelagische Population nicht durch eine weitere Einschleppung entstanden, sondern wahrscheinlich erst kürzlich innerhalb des Sees aus der litoralen. Vorhandene Unterschiede in den Genen könnten möglicherweise auf frühe Anzeichen einer Anpassung hindeuten. Darin sehen die Forschenden ein wichtiges Beispiel für die rasche ökologische Diversifizierung einer invasiven Art innerhalb eines Sees, die sich aus der vorhandenen genetischen Variation ergibt. Sie empfehlen, dass das gesamte Vorkommen der Stichlinge im See gemanagt wird und sich die Bemühungen nicht nur auf die pelagisch lebenden Fische konzentrieren.[4]

[3] Rösch, R., Baer, J. & Brinker, A. Impact of the invasive three-spined stickleback (Gasterosteus aculeatus) on relative abundance and growth of native pelagic whitefish (Coregonus wartmanni) in Upper Lake Constance. Hydrobiologia 824, 243–254 (2018). DOI: → 10.1007/s10750-017-3479-6
[4] Dahms C, Roch S, Elmer KR, Ros A, Brinker A, Jacobs A (2024) Intra-lake origin and rapid expansion of invasive pelagic three-spined stickleback in Lake Constance. NeoBiota 92: 259-280. DOI: → 10.3897/neobiota.92.117430

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