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Räumliche und zeitliche Veränderungen von Schmetterlingen im Alpenraum

Siebert, Ina [Ina Siebert2] - 12. Jan 2024, 07:40
Etwa 4.000 Schmetterlingsarten (Lepidoptera) kommen in Österreich vor, 3.700 in Deutschland. Während sich die Generalisten unter ihnen von verschiedenen Pflanzen ernähren, entwickeln sich bei anderen die Raupen nur an einer bestimmten Pflanze. Je spezialisierter eine Art ist, desto empfindlicher reagiert sie auf Veränderungen in ihrem Lebensraum. Ausgelöst werden diese vor allem durch eine intensivere Nutzung von Flächen und den Klimawandel. Zusammenhänge und Wirkungen hat ein Team von Forschenden aus Österreich, Deutschland und Polen in mehreren Studien untersucht.
Hochalpen-Apollofalter im Juli 2023 in Salzburg, (c) Elke Künne/NABU-naturgucker.de
Hochalpen-Apollofalter im Juli 2023 im Land Salzburg
(c) Elke Künne/NABU-naturgucker.de
Da die Vorkommen von Insekten witterungsbedingt von einem auf das andere Jahr stark schwanken können, sind für Aussagen über ihre Entwicklung Datensätze notwendig, die mehrere Jahrzehnte abdecken. Aus dem Land Salzburg werteten die Forschenden knapp 60.000 Beobachtungsdaten von 168 Tag- und Nachtfalterarten zwischen 1920 und 2019 aus. Demnach gingen Schmetterlinge besonders stark in zwei Zeitfenstern zurück. In den 1920er-Jahren waren vor allem Arten betroffen, die auf feuchte Lebensräume wie Moore angewiesen sind. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft in den 1960er-Jahren verschlechterte sich die Qualität von Lebensräumen, auch vormals traditionell genutzten Landschaften. Damit einher ging ein Rückgang von gefährdeten und standorttreuen Spezies sowie solchen, die hohe Qualitäten in ihrem Lebensraum benötigen. Für den Schutz der Schmetterlinge sind also der Erhalt einer heterogenen und durchlässigen Landschaft sowie von hohen Lebensraumqualitäten durch eine gebietsspezifische Bewirtschaftung notwendig.[1]
Kleiner Fuchs im Mai 2022 in Salzburg, (c) Frank Beisheim/NABU-naturgucker.de
Kleiner Fuchs im Mai 2022 im Land Salzburg
(c) Frank Beisheim/NABU-naturgucker.de
In einer weiteren Untersuchung zeigte das Team, dass Tagfalter im Land Salzburg in den vergangenen 70 Jahren ihre durchschnittlichen Vorkommen sowie deren untere und obere Grenze um mehr als 300 Meter in die Höhe verschoben haben. Besonders stark fällt diese Veränderung in den letzten zehn Jahren aus. Spezialisierte und wenig mobile Arten sind kaum in die Höhe gewandert, Generalisten dagegen stark. Zusätzlich zum Klimawandel könnte die geänderte Landnutzung im Tiefland den Rückzug in die Höhe verstärken. Es ist zu erwarten, dass die Auswirkungen des Klimawandels die Verteilung der Arten und die Lebensgemeinschaften zunehmend stärker beeinflussen. Mehr als 30.000 Beobachtungsdaten von 119 Arten über eine Spanne von 2.500 Höhenmetern wurden für die Studie ausgewertet.[2]
Wandergelbling im Oktober 2020 in Salzburg, (c) Martina Schlagert/NABU-naturgucker.de
Wandergelbling im Oktober 2020 im Land Salzburg
(c) Martina Schlagert/NABU-naturgucker.de
Anhand eines Datensatzes mit rund 247.000 räumlich und zeitlich genauen Beobachtungen von knapp 2.300 Spezies konnten die Forschenden phänologische Verschiebungen von Schmetterlingen im Land Salzburg nachvollziehen. Sie stammen aus einem Zeitraum von 1900 bis 2020 und Höhenlagen von 380 bis 3.105 Metern. Inzwischen setzt der Frühling in Europa früher ein, und die Vegetationsperiode erstreckt sich über einen längeren Zeitraum. Ebenso erscheinen Schmetterlinge früher im Jahr, ob sie nun erst schlüpfen oder als erwachsene Tiere überwintert haben. Dieser Trend zeigt sich auch bei Wanderfaltern, die im Frühling aus dem Süden einfliegen, zunehmend aber auch erfolgreich in Mitteleuropa überwintern. Tendenziell verlängerte sich die Flugzeit vieler Schmetterlinge im Herbst. Bei gut einem Fünftel der Arten, die bereits zwei oder mehr Generationen im Jahr hervorbringen, erhöhte sich diese Anzahl. Demnach wirkt sich der Klimawandel nicht nur auf die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften, sondern auch auf die Lebensweisen der Schmetterlinge aus. Interaktionen zwischen den Insekten und ihren Wirtspflanzen sowie die Nahrungsnetze könnten sich dadurch verändern.[3]

[1] Jan Christian Habel, Thomas Schmitt, Patrick Gros, Werner Ulrich, Breakpoints in butterfly decline in Central Europe over the last century,
Science of The Total Environment, Volume 851, Part 2, 2022, 158315. DOI: → 10.1016/j.scitotenv.2022.158315
[2] Jan Christian Habel, Werner Ulrich, Patrick Gros, Mike Teucher, Thomas Schmitt, Butterfly species respond differently to climate warming and land use change in the northern Alps, Science of The Total Environment, Volume 890, 2023, 164268. DOI: → 10.1016/j.scitotenv.2023.164268
[3] Habel, J. C., Schmitt, T., Gros, P., & Ulrich, W. (2024). Active around the year: Butterflies and moths adapt their life cycles to a warming world. Global Change Biology, 30, e17103. DOI: → 10.1111/gcb.17103

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