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Massensterben von Seeigeln im Mittelmeer und in der Karibik

Siebert, Ina [Ina Siebert1] - 23. Jun 2023, 08:25
Weltweit kommen rund 1.000 Arten von → Seeigeln (Echinoidea) vor; insbesondere in den Tropen und Subtropen. In der deutschen Nord- und Ostsee sind acht Arten heimisch. Seeigel leben am Meeresboden und ernähren sich meist von Algen. Für die marinen Ökosysteme haben sie damit eine große Bedeutung – wo sie fehlen, können sich Algen stark ausbreiten und beispielsweise Korallen überwuchern.
Gewöhnlicher Diademseeigel (Tansania, 2021), (c) Dieter Schneider/NABU-naturgucker.de
Gewöhnlicher Diademseeigel (Tansania, 2021)
(c) Dieter Schneider/NABU-naturgucker.de
Vom Roten Meer ist der → Gewöhnliche Diademseeigel (Diadema setosum) ins Mittelmeer eingewandert und wird dort seit 2006 nachgewiesen. In einer aktuellen Publikation berichten Forschende über ein Massensterben dieser Seeigel, das ähnlich verläuft wie zuvor beobachtete Massensterben verwandter Arten. Tiere in einer über 1.000 Kilometer langen Zone vor den Küsten Griechenlands und der Türkei sind betroffen. Zwar kann das Aussterben einer invasiven Art für das Ökosystem von Vorteil sein, doch sehen die Forschenden die Gefahr, dass die potenziellen Auslöser auch andere, heimische Arten befallen könnten. So wurden Fische beobachtet, die von den sterbenden oder toten Seeigeln fraßen. Zudem besteht das Risiko, dass sich das Massensterben in das Rote Meer und damit in das natürliche Verbreitungsgebiet des Gewöhnlichen Diademseeigels ausbreitet. Daher fordern die Forschenden eine regionale Zusammenarbeit, um die Ausbreitung zu verfolgen und die Ursache des Sterbens schnellstmöglich zu klären.[1]
Diadema antillarum (Niederländische Antillen, 2001), (c) Volker Siegel/NABU-naturgucker.de
Diadema antillarum (Niederländische Antillen, 2001)
(c) Volker Siegel/NABU-naturgucker.de
Bereits 1983 und 1984 gab es ein Massensterben von Diadema antillarum in der Karibik, bei dem die Populationsdichte um rund 98 Prozent zurückging. In der Folge starben in größerem Umfang Korallen in der Region. Es wurde vermutet, dass sich die auslösenden Faktoren mit den Wasserströmungen verbreiten, doch konnte die Ursache nicht geklärt werden. Bei einem erneuten Massensterben im Jahr 2022 untersuchten Forschende betroffene und scheinbar gesunde Tiere an 23 Standorten mit molekularbiologischen und veterinärpathologischen Verfahren. An kranken Tieren wurde eine → Wimpertierchen-Art (Ciliophora) der Gattung Philaster gefunden, die an Standorten mit gesunden Tieren fehlte. Eine Behandlung von Seeigeln mit Kulturen der Wimpertierchen sind Einzeller mit mehreren Tausend Arten, die sich beispielsweise von Bakterien oder Pflanzen ernähren oder räuberisch leben. Einige Wimpertierchen-Arten werden als Erreger von Erkrankungen mariner Wirbeltiere und Wirbelloser vermutet. Noch nicht geklärt sind die Umweltbedingungen, Wirtsfaktoren und ozeanografischen Prozesse, unter denen die nachgewiesene Wimpertierchen-Art die Seeigel infiziert und tötet.[2]

[1] Zirler Rotem, Schmidt Lisa-Maria, Roth Lachan, Corsini-Foka Maria, Kalaentzis Konstantinos, Kondylatos Gerasimos, Mavrouleas Dimitris, Bardanis Emmanouil and Bronstein Omri. 2023. Mass mortality of the invasive alien echinoid Diadema setosum (Echinoidea: Diadematidae) in the Mediterranean Sea. R. Soc. open sci. 10:230251. DOI: → 10.1098/rsos.230251
[2] Ian Hewson et al., A scuticociliate causes mass mortality of Diadema antillarum in the Caribbean Sea. Sci. Adv. 9, eadg3200 (2023). DOI: → 10.1126/sciadv.adg3200

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